EU will Double Pricing erlauben – was Händler jetzt wissen müssen


EU will Double Pricing erlauben – was Händler jetzt wissen müssen

Nach einem Entwurf der EU-Kommission sollen unterschiedliche Händler-Einkaufspreise für Online- und Offline-Verkauf zukünftig zulässig sein, um dem darbenden stationären Handel zu helfen. Rechtsanwalt Konstantin Putzier erklärt, welche Auswirkungen das auf Händler hat.

 

Von Dr. Konstantin Putzier

Die Europäische Kommission lockert in ihrem Entwurf neuer “Leitlinien für vertikale Beschränkungen” ihre Haltung gegenüber sogenannten Doppelpreissystemen. Danach können Händler, die ihre Produkte sowohl über Ladengeschäfte als auch online verkaufen, mit Lieferanten je nach Art des Absatzkanals in begrenztem Maße unterschiedliche Einkaufspreise aushandeln. Bisher ging die Kommission davon aus, dass solche Doppelpreissysteme kartellrechtlich verboten sind.

Von den Erleichterungen profitieren insbesondere Einzelhändler, die ihre Waren in Ladengeschäften verkaufen. Viele von ihnen hatten zuletzt auf hybriden Handel gesetzt und neben dem stationären einen eigenen Online-Kanal aufgebaut. Zukünftig steht ihnen ein neues Feld bei den (Preis-) Verhandlungen mit Lieferanten zur Verfügung.

Dr. Konstantin Putzier ist Anwalt der Ruhrgebietskanzlei
KÜMMERLEIN Rechtsanwälte & Notare und berät
Unternehmen im deutschen und europäischen Kartellrecht.
QUELLE: Kümmerlein Rechtsanwälte und Notare

Was bisher galt

Einzelhändler durften mit ihren Lieferanten (also Herstellern, Großhändlern oder Importeuren) bislang keine unterschiedlichen Einkaufspreise für den Verkauf von Waren im Ladengeschäft und den Verkauf im Online-Shop vereinbaren. Die Europäische Kommission sah im sogenannten Dual Pricing bzw. in Doppelpreissystemen eine sog. kartellrechtliche Kernbeschränkung und hielt sie daher für unzulässig.

Zulässig war bisher lediglich (und ist auch weiterhin) ein Zuschuss des Lieferanten für die zusätzlichen Fixkosten des Ladenverkaufs, der aber ausdrücklich nicht im Zusammenhang mit den variablen Kosten stehen durfte.

Was künftig erlaubt ist

Im Entwurf neuer Leitlinien vollzieht die Kommission nunmehr eine Kehrtwende und lockert das Verbot der Doppelpreissysteme jedenfalls für solche Unternehmen, deren Marktanteile 30 Prozent nicht wesentlich übersteigen. Danach darf ein Einzelhändler mit einem Lieferanten unterschiedliche Einkaufspreise für Produkte vereinbaren, die er online bzw. offline verkauft.

Dabei sind einige Bedingungen vorgesehen:

  • Die Preisunterschiede müssen mit den unterschiedlichen Kosten zusammenhängen, die dem Einzelhändler in den jeweiligen Verkaufskanal entstehen.
  • Die Differenz zwischen den Händler-Einkaufspreisen für online bzw. offline verkaufte Waren darf künftig so hoch sein wie der Unterschied zwischen den variablen Kosten der beiden Verkaufskanäle.
  • Ziel dieses Doppelpreissystems muss es letztendlich sein, Anreize für angemessene Investitionen des Einzelhändlers im Online- bzw. Offline-Verkauf zu schaffen oder diese zu belohnen.

Mit den Erleichterungen gibt die Europäische Kommission dem politischen Ziel nach, das Aussterben der Innenstädte einzudämmen. Die offizielle Begründung für die Lockerungen ist, dass sie den Online-Handel nicht mehr als schutzwürdig im Verhältnis zum Offline-Handel ansieht.

Auch wenn diese Regelung zunächst niedrigere Händler-Einkaufspreise für im Ladengeschäft verkaufte Produkte ermöglicht, dürfen Einzelhändler mit Lieferanten umgekehrt ebenso ein Doppelpreissystem vereinbaren, das niedrigere Händler-Einkaufspreise für online verkaufte Waren vorsieht, falls die variablen Kosten – gleich aus welchen Gründen – im Online-Handel höher sein sollten als im Ladenverkauf.

Was weiterhin untersagt ist

Lieferanten und Einzelhändlern bleibt es weiterhin untersagt, Doppelpreissysteme zu vereinbaren, die dazu dienen, die tatsächliche Nutzung des Internets für den Verkauf zu vermindern. Die Lockerungen erlauben allein die Ausgleichung der Nachteile eines Verkaufskanals gegenüber dem anderen. Sie dürfen aber den Einzelhändler nicht daran hindern, das Internet wirksam für den Online-Handel zu nutzen.

Weicht der Händler-Einkaufspreis für im Ladengeschäft verkaufte Produkte zu stark von dem Händler-Einkaufspreis für online verkaufte Produkte ab, geht die Kommission weiterhin von einer mit Bußgeld belegten Kernbeschränkung aus. Lieferanten müssen also mit Fingerspitzengefühl vorgehen, wenn sie bei den Händler-Einkaufspreisen nach dem Verkaufskanal differenzieren.

Ab wann die Neuerungen gelten

Auch wenn die Lockerungen bislang nur im Entwurf der neuen “Leitlinien für Vertikale Beschränkungen” enthalten sind, ist kaum damit zu rechnen, dass die Kommission in dieser Sache noch eine weitere 180-Grad-Kehrtwende vollzieht. Endgültig können sich Lieferanten und Einzelhändler zwar erst ab der Veröffentlichung der endgültigen Fassung der neuen Leitlinien (voraussichtlich im Sommer 2022) auf die neue Sichtweise der Europäischen Kommission verlassen. Die Zeit bis dahin können sie aber nutzen, um entsprechende neue Preissysteme zu entwickeln.

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