Frankfurt Reloaded? Zur Musikmesse Frankfurt 2016 1


Gitarre & Bass begleitet die Frankfurter Musikmesse seit seiner Gründung exakt vor 30 Jahren. Für uns war der jährliche Branchentreff in der Main-Metropole stets das Highlight der Saison. Denn trotz der NAMM-Show galt die Musikmesse Frankfurt lange als die Drehscheibe des internationalen Musikinstrumenten-Business, hier spielte in der Tat die Musik!

Autor Heinz Rebellius

Detlef Heese (www.hee.se)

Doch obwohl die Organisatoren genau diesen Spruch „Hier spielt die Musik“ als einen ihrer Slogans für die 2016er Ausgabe der Musikmesse verwendeten, haben sich die Zeiten geändert. Längst hat die NAMM der Musikmesse den Rang als Meeting Point der internationalen Szene abgelaufen – dank einer grundsätzlichen Globalisierung, aber auch, weil die Musikmesse es in der Vergangenheit versäumt hat, die Zeichen der Zeit zu deuten.

Die Alarmglocken hätten wohl noch lauter schrillen müssen, als vor wenigen Jahren zuerst Warwick, dann aber auch Aussteller wie Fender, Paul Reed Smith, Duesenberg und weitere wichtige Marken der Messe fern blieben. Der konkreten Kritikpunkte gab es einige: Zu hohe Standkosten, enorme Lautstärke, zu teure Eintrittspreise, zu teure Übernachtungspreise und vor allem – kein klares Konzept. Was zugegebenermaßen auch nicht gerade einfach ist, denn einige der oben erwähnten Firmen verlangten von der Messegesellschaft, sich an allen Tagen dem Musiker-Publikum zu öffnen und auf die Tage für den Fachhandel zu verzichten. Andere wiederum prangerten an, dass aufgrund der hohen Lautstärke ein Business-Talk z. B. mit einem Fachhändler nicht möglich sei. Ein weiterer Kritikpunkt war zudem die zeitliche Nähe zur NAMM – und das sicher zurecht. Denn warum soll eine Firma, die ihre neuen Produkte im Januar auf der NAMM gezeigt hat, die gleiche Aktion nun in Frankfurt wiederholen?

Die Messegesellschaft hatte in diesem Jahr viel probiert, um die diversen Spagate, die diese Kritiken einforderten, auszuführen. Doch sie hat meiner Meinung nach nicht konsequent genug am grundsätzlichen Konzept gearbeitet, und war bei der Hallenbelegung einem für alle nicht nachvollziehbaren Plan gefolgt, der E-Gitarren mit Drums und Akustik-Gitarren mit Perkussion in jeweils einer Halle zusammen brachte. Einhellige Meinung vieler Besucher: Das hat nicht funktioniert, denn es hat die Lautstärke unnötig in die Höhe getrieben.

Zwar war die Musikmesse nun an allen vier Tagen für das Publikum geöffnet, und damit in Ruhe auch Business betrieben werden konnte, wurde Firmen immerhin ein reiner B2B-Bereich in Halle 11.1 angeboten. Hier war es ruhig, aber auch steril, und sicherlich ist die Auslastung dieses Bereichs noch ausbaufähig. Außerdem fehlten die meisten Produkte, deren Hersteller/Vertriebe sich im B2B-Bereich eingerichtet hatten, natürlich unten in der Halle für das Volk (z. B. Orange, Hagstrom, Danelectro, Marshall und andere), denn viele dieser Firmen scheuten die Kosten für zwei Stände. Der B2B-Bereich war sicherlich ein guter Ansatz, förderte aber letztendlich die unglückliche Konstellation, dass noch weniger Marken als erwartet in den Messehallen präsent waren.

Denn die Musikmesse 2016 wird als die bisher merkwürdigste ihrer Veranstaltungen in die Geschichte eingehen, vor allem eben, weil etliche Hersteller schlicht und einfach nicht vor Ort waren. Darunter real Big Names wie Fender (und damit Gretsch, Jackson, Charvel, EVH etc.), Warwick, Gibson, Marshall, Ibanez, Duesenberg, aber auch ungewöhnlich viele kleinere Firmen, die den vergangenen Musikmessen den Hauch von bunter Vielfältigkeit verliehen hatten: Nik Huber, Jens Ritter, Marleaux, Deimel Guitarworks, Juha Ruokangas, Pagelli, Tandler, aber auch Gamble, Quenzel, Häussel, Rainer Tausch, Human Base und viele andere mehr wurden nicht nur von uns schmerzlich vermisst. Klar, diese Firmen haben vor allem in der Holy Grail Guitar Show mittlerweile eine echte Alternative, um sich zu präsentieren. Übrigens eine Show, die von Gitarrenherstellern für Gitarrenhersteller konzipiert ist. Vielleicht ließe sich das ein oder andere Veranstaltungselement von Berlin auch nach Frankfurt entführen?

Im Drum-Bereich war Yamaha als einziger (!) Big-Player vertreten. Aus der Not machte die Messeleitung eine Tugend, und hatte ein Drumcamp eingerichtet, bei dem sieben weltweit bekannte Trommler ihre Drumsets ausstellten, Workshops und Autogramm-Stunden abhielten. Ein Publikumsmagnet. Aber auch mit allzu heißer Nadel gestrickt, so dass z. B. für Video-Wände zur Übertragung für die Leute, die in den Sound-Kabinen keinen Platz fanden, nicht verwirklicht werden konnten.

Anderseits zeigt die Präsenz der vielen Akustik-Gitarren in Halle 8.0, wie wichtig für diese Aussteller diese Veranstaltung immer noch ist. Lediglich Taylor-Guitars hatten abgesagt, und C.F. Martin hatte aus Terror-Angst trotz gebuchtem Stand, Hotel und Flügen abgesagt und sich durch den deutschen Vertrieb vertreten lassen.

Wir dürfen nicht vergessen, dass die Prolight & Sound, die zweite Messe-Veranstaltung, die nun zeitlich etwas versetzt zur Musikmesse stattfand, einen sehr guten Zuspruch hatte. Hier gab es gute bis sehr gute Resonanzen, sowohl von Ausstellern wie Besuchern, hier gab es aber auch keinen Aussteller-Mangel. Fast alle waren da! Doch die Musikmesse fühlte sich leider so an wie eine Automesse, bei der Mercedes, BMW, Audi, Volvo und Volkswagen nicht mit dabei sind. Und das ist einer Veranstaltung mit solcher Bedeutung einfach nicht würdig.

Doch genug kritisiert, nur den Optimisten gehört die Zukunft! Klasse Stände gab es z. B. von Roland/BOSS, Yamaha und Sound Service! Aber gerade einige wenige kleine Firmen wie z. B. Franz Bassguitars, Hot Wire oder Mercy Seat Effects, die sich unter alte Bekannte wie Electro Harmonix (mit Soundkabine!!!), T.V. Jones, Sandberg und andere mischten, aber auch spannende neue Firmen aus Italien und Spanien ließen zumindest einen Hauch von Messe-Flair entstehen. Hans-Peter Wilfer von Warwick, der sich als erster Big Name vor einigen Jahren von der Musikmesse zurückgezogen hatte, stellte in diesem Jahr persönlich auf einem schönen Stand das neue Framus-Akustik-Gitarren-Programm vor, inkl. eines wirklich mitreißenden Endorsers/Vorführers: Phil X! Und auch die Reinhardt GmbH ist mit einem riesigen Stand (240 m² ) nach einem Jahr Pause zurückgekehrt und stellte  die eigenen und die  Vertriebsprodukte  – wie Baton Rouge, La Mancha, Ramirez, Washburn u.v.m. – vor. Und auch die wichtigsten Buchverlage waren vor Ort.

Auch die Idee, die Musikmesse mit einem Musikmesse-Festival zu koppeln, bei dem in 30 Locations von Frankfurt 50 Konzerte stattfanden, hat gezündet. Und das Angebot, zu diversen Themen Seminare und Vorträge anzubieten, wurde gut angenommen und sollte ausgebaut werden.

Es bleibt abzuwarten, wie die Musikmesse Frankfurt auf die Kritik, die in diesen Tagen auf sie einprasseln wird, umzugehen weiß. Die vielen neuen Schritte, die die Messe in diesem Jahr umgesetzt hatte, haben jedenfalls unter dem Strich nicht den Erfolg gebracht, den die Messe-Macher sich davon versprochen hatten. Dass in der Pressemeldung der Messegesellschaft als ein letztes Fazit steht, dass man sich auf ein Wiedersehen im April 2017 freue, beweist jedenfalls, dass anscheinend eine zeitliche Entzerrung zur NAMM noch nicht angedacht ist. Wobei doch genau das vielleicht schon der erste Schritt in eine Neue Ära Frankfurter Musikmesse hätte darstellen können. Wir würden auf jeden Fall genauso gerne im September oder Oktober nach Frankfurt kommen, so wie wir es 30 Jahre lang im Frühjahr jeden Jahres getan haben.

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Ein Gedanke zu “Frankfurt Reloaded? Zur Musikmesse Frankfurt 2016

  • Ron Houben

    Akkurater Kommentar, aber wenn die MusikMesse in
    Oktober stattfinden würde ist das wieder zu nah an MusicChina in Shanghai. Der Monat May müsste auch gehen.
    Die MusikMesse kann auch eine nationale Veranstaltung werden wobei die Vertriebe ausstellen und die Herstellern unterstützen mit den neuesten Produkte.