Haben große Messen ausgedient? 3


musikmesse-2015

Die letzte Frankfurter Messe war gezeichnet vom Aussteller-Schwund – vor allem in meinem Kerngeschäft: E-Gitarre. Damals schrieben wir in Gitarre & Bass angesichts der Tatsache, dass Branchenführer wie Fender, Gibson, Marshall und andere nicht in Frankfurt ausstellten, dass Automessen ohne Marken wie BMW, Mercedes, Porsche, Jaguar etc. auch keine Relevanz mehr hätten und die Branche nicht repräsentieren würde, wie sie sich in Wirklichkeit darstellt.

Und ahnten nicht, dass in der Autobranche heute tatsächlich eine ähnliche Bewegung zu beobachten ist: Immer mehr Hersteller verzichten auf einen teuren Messe-Auftritt – wie gesehen beim aktuellen Autosalon Paris – und investieren lieber in selbst organisierte Veranstaltungen, besuchen Events, die für kleinere Zielgruppen organisiert werden und lassen sich andere, teils ungewöhnliche Ideen einfallen, um aufzufallen. Und polieren nebenbei mit dem Ersparten auch noch den eigenen Online-Auftritt auf.

 

Autor Heinz Rebellius

Gitarre & Bass Redakteur Heinz Rebellius
@Detlef Heese (www.hee.se)

 

Nicht dabei: Ford, Mazda, Volvo, Lamborghini, Rolls-Royce und Aston Martin

Angesichts der Tatsache, dass eine “standesgemäße Präsentation eines großen {Auto-}Herstellers nach Schätzungen von Branchenkennern zwischen 50 und 60 Millionen Euro kostet und kleinere Marken mit einem hohen einstelligen Millionenbetrag auskommen” (Zitat: Spiegel Online) sind die Überlegungen der Hersteller gut nachvollziehbar. Der Spiegel schreibt weiter: “Für den aktuellen Autosalon in Paris haben sechs Hersteller diese Überlegungen mit Nein beantwortet: Ford, Mazda, Volvo, Lamborghini, Rolls-Royce und Aston Martin. Das sei in diesem Jahr ‘keine grundsätzliche Entscheidung gegen Paris’ gewesen, sagt Ford-Sprecher Isfried Hennen, wohl aber eine Abwägung der ‘realen Kosten mit dem möglichen Ertrag. Und dabei sind wir zu dem Ergebnis gekommen, dass es sich für uns dieses Mal nicht wirklich lohnt.’

Stattdessen plant Ford wohl eine eigene Show, um den neuen Fiesta zu präsentieren – und hätte damit dann das geballte Medieninteresse ganz für sich alleine. So ähnlich, wie es in der Gitarrenwelt z.B. Fender in den letzten Jahren praktiziert hat: Statt eines großen Auftritts auf der Musikmesse ging man eben zu kleineren Events oder veranstaltete selbst die so genannten Fender Days.

Medien als Ersatz-Publikum?

Die Verantwortlichen in den Firmen sind da relativ geschlossen der Meinung, dass der konzentrierte Einsatz der Medien, der sich in den letzten Jahren quantitativ potenziert hat (Stichwort: Social Media), die Zielgruppen effektiver und nachhaltiger erreichen kann als eben durch einen Messeauftritt. Eben durch eigene Veranstaltungen oder auch Präsentationen in ungewöhnlichen Zusammenhängen. Weiter im Spiegel-Text: “Die Computerfirma Apple etwa zelebriert die hauseigene Produkt-Gala seit Jahren und hat sie beinahe zu einer Kunstform erhoben.” Oder: “Mercedes enthüllte die neue S-Klasse bei Airbus in Hamburg-Finkenwerder, VW den neuen Passat im Designzentrum des Konzerns in Potsdam, Smart die neuen Typen Fortwo und Forfour im Berliner Tempodrom.”

Abrutschen in Beliebigkeit

Für mich ist jedoch schwer zu glauben, dass das auf lange Sicht tatsächlich der effektivste Weg ist, sein Produkt ins Interesse des geneigten Kunden zu stellen. Denn Messen leben auch davon, dass Produkte direkt vor Ort mit allen Sinnen erfahren werden können. Und vor allem auch davon, dass Produkte des einen mit denen des anderen Herstellers verglichen werden können, direkt vor Ort und nicht am Screen. Außerdem profitiert jede Branche dadurch, dass man sich branchenintern mindestens einmal im Jahr persönlich trifft und austauscht. Und das passiert eben nur auf einer Messe. Es mag sein, dass Firmenmanagern diese Argumente nicht ausreichen, und leider scheint es auch so zu sein, dass vielen Messeveranstaltern nichts einfällt, um den Sprung aus den Goldenen Tagen des Messe-Geschäfts in die Jetztzeit erfolgreich gestalten zu können.

Ich bin jedenfalls überzeugt davon, dass die Messegesellschaft, die ein in unsere Jetztzeit passendes Konzept bereit stellt, erfolgreiche Veranstaltungen wird verbuchen können. Denn auch die Verantwortlichen von Herstellern und Vertrieben werden merken, dass eine Branche eine gesunde Mitte braucht. Und dass die Dezentralisierung und Konzentrierung auf eigene Events auf lange Sicht ein großer Schritt in Richtung Beliebigkeit wird.

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3 Gedanken zu “Haben große Messen ausgedient?

  • Will Anonymbleiben

    Ja, die Nostalgie ist auch nicht mehr das, was sie mal war 😉

    Also *ich* kann auf eine Messe verzichten, auf der sich die Branche nur trifft, um zu jammern.
    Ich kann auch auf eine Messe verzichten, auf der die Highlights Fotoausstellungen und Konzerte sind, statt Markenwelten und neue Produkte.
    Ich kann auch drauf verzichten, dass ganze Schulen und Kindergärten über die Messe geschleift werden, nur um die Statistiken oben zu halten. Gleichzeitig versteckt sich die Branche lieber in ihren B2B-Zentren vor den Ottonormalmusikern, um in Ruhe jammern zu können.

    Und was Beliebigkeit angeht: Während und nach der Messe werden die neuen Produkte auf gefühlten 300 Websites und Magazinen in Pressemitteilungen zwischen zwölf Kommas aufgezählt und übrig bleiben beim Endkunden nur Superlative, Preise und die Hoffnung, dass die Neuheiten irgendwann mal verfügbar sein werden. *Das* macht die Produkte beliebig!
    Da ist es mir schon lieber, ich werde alle paar Wochen von irgend einem Hersteller mit innovativen neuen Produkten überrascht und kann mir die Zeit nehmen, mich damit zu beschäftigen. Am liebsten von Zuhause aus und am liebsten dann, wenn ich mir auch was kaufen will. Im März/April plane lieber ich meinen Urlaub :p

  • Andreas Schneider

    Fachmessen sind sicher weiter von Nöten und können sich als Mitte der Gesellschaft der Anwender und Hersteller einer Produktgruppe profilieren, wenn aber auch der Messeveranstalter diese Produktgruppe versteht und sich alle respektiert und zugehörig fühlen. Am Beispiel der Frankfurter Musikmesse allerdings konnte man sehen wie Produktgruppen von Streichern über Bläser bis hin zur Synthesizern eine Randerscheinung waren, die nicht Ihresgleichen in der Mitte der Veranstaltung trafen sondern anderen Spezialisten Ihre besondere Qualifikation erst nahe bringen mussten.
    Für die Dimension Thomann oder Music Store mag die gemischte Musikinstrumentenmesse mit allem was da war vielleicht praktisch gewesen sein, aber der kleine Musikinstrumentenfachhandel in jeder Stadt von Bremen bis Nürnberg ist ausgestorben und die Kunden gehen doch besser für Lau gleich zu Thomann. Es sei denn es gibt noch Fachbereiche, die dort nicht in voller gänze abgebildet werden, wie eben die Vielzahl der Geigenbauer, die unendliche Welt der Erfinder und Bastler, die Musiker selbst und ihre Lieferanten in den unterschiedlichsten Disziplinen in Ihrer weltweiten Vernetzung über die Anwender der Produkte.
    Das hat durchaus Perspektive, aber es ist viel mehr Arbeit für alle. Ohne geht aber nicht.

  • Fred Schütz

    Ich bin der Ansicht, dass die Hersteller das eine tun und das andere nicht lassen sollten. Die letzte Musikmesse hat mir tatsächlich nicht besonders gut gefallen. Der Außenbereich mit der Disco-Beschallung war unglaublich nervig, wenn man seine rituelle Curry-Wurst mit Freunden bei ein bisschen gedämpfter Lautstärke verspeisen möchte. Schließlich ist der Lautstärke-Pegel in vielen Hallen ja wirklich sehr, sehr anstrengend.

    Weniger hat mich gestört, dass die großen Marken gefehlt haben. Die sind ja in den Musikläden bereits überpräsent. Vermisst habe ich die kleinen und allerkleinsten Hersteller und Anbieter, mit den schmucken, manchmal schrägen Ideen. Die waren udn sind immer das Salz in der Messesuppe gewesen.

    Auch der Wegfall des „Presse-Mittwochs” war ein bisschen unbequem – allerdings auch nicht mehr als das.

    Vielleicht liegt die Chance ja darin, dass die Aussteller ihre Messepräsentation insgesamt überdenken. Ein bisschen persönlicher, mehr Klasse als Masse. Das könnte doch gehen.