Lightpower-Chef Ralph-Jörg Wezorke und die Augenzeugen des Rock ’n’ Roll


Ralph-Jörg Wezorke ist nicht nur Chef der bekannten Paderborner Vertriebsfirma Lightpower und Marketingpreisträger der kernwestfälischen Stadt, sondern auch leidenschaftlicher Sammler der Rock’n’Roll-Fotogeschichte.

Lightpower-Chef Ralph-Jörg Wezorke, Foto: Hilmar B. Traeger

Foto: Hilmar B. Traeger

Inzwischen ist Ralph-Jörg Wezorke bei einem sehr engagierten, englischen Kunstbuchverlag beteiligt. Das Geldverdienen mit der Lightpower Collection ist aber nicht auf sein Privatkonto gemünzt, sondern kommt einer Stiftung zu Gute, die sich um notleidende Bühnentechniker kümmert. Erste Schecks von insgesamt 75.000 $ wurden bereits an die Stiftung „Behind the Scenes“ übergeben.

Wie kommt man als erfolgreicher Veranstaltungstechnik-Unternehmer dazu, Fotos zu sammeln?

Das ist eine Zufälligkeit. Stanley Kubrick hat mich fasziniert. Seine Filme wie „Clockwork Orange“ zum Beispiel. Was ich gar nicht wusste war, dass Kubrick selbst in den 40er, 50er Jahren Fotojournalist gewesen ist. Dazu musste mir erst ein Fotoband von ihm in die Hände fallen. Ich habe die Kraft seiner Fotos gespürt, das hat mich fasziniert.

Irgendwann später in London bin ich an einem kleinen Laden vorbei gekommen. Da hing ein Ian-Dury-Covershot. Ich rein in den Laden und da liefen direkt Bilder in meinem Kopf los. Eigentlich bin ich bis heute nicht wieder aus dem Laden ‘raus gekommen. Das war der Anfang meiner Sammelleidenschaft.

Im Laufe der Zeit tauchst Du automatisch immer tiefer ein, lernst Fotografen kennen, die Dir wiederum ihre fesselnden Werke vorstellen. Du möchtest da auch gar nicht mehr raus. Du bewegst dich einfach in dieser anderen Welt. Und wenn Du auch noch an solchen Orten unterwegs bist – es gibt ja nicht ganz so viele Wasserstellen mit dieser Szene-Konzentration wie London, San Francisco, Los Angeles oder New York – dann stößt du auf die ganze DNA. Dort findest du auch die Leute, die dir davon erzählen können. Das ist eben das Faszinierende daran. Und es lässt dich nicht mehr los.

Wie groß ist Ihre Sammlung mittlerweile?

Reine Rock’n’Roll Fotografien müssten es jetzt um die 130, 140 sein. Daneben gibt es noch einiges an Album Cover Art, also Illustrationen und Vorlagen für spätere Plattencover.

Und wie sind Sie an Neal Preston geraten?

Ich habe in Amerika ein Foto von ihm gesehen, von dem ich aber nicht wusste, dass er es geschossen hatte. Damit ich es identifizieren konnte, habe ich die Signatur fotografiert, an einen Londoner Galeristen geschickt und ihn gefragt, ob er sie zuordnen könne. Er sagte mir, sie sei von Preston.

Ich dachte, vielleicht gibt es noch ein Exemplar aus dieser Edition. Der Galerist hat sich dahinter geklemmt, das Foto identifiziert und mit Preston Kontakt aufgenommen. Ich konnte noch den letzten Editionsprint kaufen; es war die Nr. zehn von zehn.

Als ich den Print später bekam, habe ich ihn bei meinem Rahmer ausgerollt und gesehen, dass die Signatur eine andere war als die, die ich fotografiert hatte. Daraufhin habe ich wieder mit dem Galeristen Kontakt aufgenommen und ihn darauf hingewiesen, dass die zwei Signaturen doch sehr unterschiedlich wären. Er sagte, er wisse ganz genau, dass Preston es signiert hätte. Ich sagte okay, aber bestimmt hätte er beim Signieren in Los Angeles nicht neben ihm gesessen. Er hatte verstanden und kümmerte sich darum.

Es dauerte gerade mal einen halben Tag und ich bekam eine lange Mail direkt von Neal Preston worin stand: „Den Print, den Du in Amerika gesehen hast, habe ich für Amerika signiert. Die Unterschrift darauf ist quasi meine Schulunterschrift für die amerikanischen Sammler, weil die immer gern den Unterzeichner entziffern wollen. Deinen Print aber habe ich mit meiner originalen Unterschrift, mit der ich auch meine Schecks und sogar meine Scheidungsurkunde unterschrieben habe, signiert.“

Er fand meine Verwirrung so unterhaltsam, dass er mich einlud, bei ihm vorbeizukommen, wenn ich mal in LA sei. Man könne sich ‘mal kennen lernen und er würde mir gern mehr erzählen. Ein paar Wochen später habe ich ihn angerufen und in einem Hotel getroffen.

Nachdem wir ein, zwei Stunden gesprochen hatten, muss er wohl gespürt haben, wie ich so ticke und sagte: „Weißt Du was? Komm doch morgen Abend mal bei mir vorbei. Let’s have a picture party.“

Allein mit ihm in seinem Haus, das mir vorkam wie ein einziges Archiv, haben wir bis in den frühen Morgen gesessen. Er hat zig Schubladen aufgezogen und alles rausgeholt, was ihm wichtig war. Es war unglaublich, was ich da zu sehen bekam. Ich wollte sofort eine Serie nur mit Neal Preston Aufnahmen für meine Sammlung haben.

Zusammen mit ihm habe ich die ersten 20 Motive ausgesucht. Danach haben wir zum ersten Mal öffentlich ausgestellt. Die Resonanz war überwältigend. Wir machten die Ausstellung mit den 20 Werken, die ich von Neal erworben hatte, plus 20 anderer Werke, die er mir leihweise zur Verfügung gestellt hatte.

In The Eye Of The Rock `n` Roll Hurricane

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Andreas Witt, ein Freund und nimmermüder Lichtgeist, hat zudem ein wahrhaft leuchtendes Präsentationskonzept dafür geschaffen. Nach der Ausstellung sollten die 20 Leihgaben wieder zurück, aber ich konnte mich nicht mehr davon trennen. So habe ich alle 40 dabehalten und wir haben diesem Teil der Lightpower-Collection einen eigenen Namen gegeben: “In the Eye of the Rock ’n’ Roll Hurricane.“ 

Diesen Namen trägt auch das ausstellungsbegleitende Buch von Reel Art Press (R|A|P), London, einem renommierten Fotobuchverlag. Die Ausstellung, die mittlerweile auf Tour ist, wurde Schritt für Schritt auf 72 Werke erweitert; ausschließlich Neal Preston.

Die ist gerade in Stockholm?

Genau. Vorher war sie unter anderem in Frankfurt, Montreux und Las Vegas. Später in diesem Jahr geht sie über Gütersloh nach London. Wobei Gütersloh im Vergleich die kleinere Stadt ist, aber für uns dennoch ein sehr wichtiges Projekt wird, da die Bertelsmann-Stiftung diese Ausstellung mit unterstützt.

In diesem Zusammenhang ist das für uns schon die hohe Spielklasse. Zusätzlich zu einer entsprechenden Vernissage findet dort ein hochklassiges Rahmenprogramm nebst Lesungen und Gesprächsrunden statt.

Neal Preston selbst kommt auch, ebenso wie einige andere bekannte Persönlichkeiten. Diese kleine Welt trifft sich halt gern. Darin nimmt man Neal aber nicht als Star wahr, sondern eher wie einen Fotojournalisten. Oder besser noch, wie einen Dokumentar-Fotografen. Wenn er arbeitet, merkt man nicht mehr, dass er im Raum ist. Er ist einfach unsichtbar; als gehöre er zum Inventar.

Neal selbst sagt gern “wie eine Fliege an der Wand”. Der Mann hat heute noch eine sehr zurückhaltende und völlig unaufdringliche Art. Nur so konnte er zu solchen Aufnahmen kommen und deswegen mögen ihn die Künstler.

Haben Sie mal an eine kommerzielle Nutzung der Sammlung gedacht?

Nein, die Sammlung sollte nie einen konventionellen Zweck erfüllen. Allerdings haben wir durch die große Nachfrage an Edition-Prints, Büchern und Postern, die Neal-Preston-Galerie eröffnet, die von unserer Kollegin Giulia Calani gemanagt wird. Wir betreiben diese Galerie nach Non-Profit-Grundsätzen und alle Erträge daraus kommen einer Stiftung zugute.

Diese Stiftung heißt „Behind the Scenes“ und kümmert sich im weitesten Sinne um Not leidende Veranstaltungstechniker. “Behind the Scenes” gibt es in Amerika und in England und hier schließt sich sozusagen der Kreis. Die Künstler und die Musiker nehmen dieses Projekt sehr positiv zur Kenntnis.

Brian May zum Beispiel schickt mal eine Video-Botschaft oder lätd auf ein Konzert ein. Oder Tony Iommi, der extra vorbei kommt, um die Ausstellung zu besuchen und Neal wieder zu treffen. Oder Marco Mendoza, der uns mit seinen “Dead Daisies” letztens ein Akustik-Set beigesteuert hat; ganz umsonst! Die kennen sich alle, das ist wie eine große Familie. Für mich, der nie als Fotograf unterwegs war und lediglich als Sammler auftritt, ist es schon ein schönes Gefühl, in diese Familie aufgenommen worden zu sein.

Jetzt kommen auch noch weitere Bücher dazu…

Ja! Aber das war auch eher zufällig und kam durch Dave Brolan, einem engen Freund von Neal Preston und dessen Kurator in Europa zustande. Er ist der anerkannte Experte, wenn es um Rock ’n’ Roll-Fotografie geht. Das heißt, von den 80 bekannten Fotografen der Rock ’n’ Roll History kennt Dave mit Sicherheit 75 persönlich.

Brolan hat Zugang zu den Archiven der Beatles bis zu den Rolling Stones, er ist da sehr vernetzt. Als ich zur ersten Ausstellung einen Katalog machen wollte und ihn gefragt habe, wer den schön drucken könne, sagte er, dass es einen Verlag in London gäbe, der auch Musikfotobände macht. Ich müsse Tony Nourmand kennen lernen und als das passierte, wusste ich sofort, welche Qualität da zusammenkommt.

Tony sagte: „Natürlich können wir Dir einen Ausstellungskatalog machen, aber bei dem Material sollte es besser ein Buch werden. Und wenn Du nichts dagegen hast, kann ich es auch für Dich verlegen.“ Und daraus ist mittlerweile eine weitere Freundschaft in der Szene entstanden. Übrigens sind aus der Zusammenarbeit zwischen dem R|A|P Verlag und Dave Brolan weitere Titel zustande gekommen; beispielsweise „Bruce Springsteen and the E Street Band“ von 1975. Das Jahr, in dem Springsteen durchs Dach ging und sich rausstellte, dass er wirklich eine Ikone werden sollte.

Die Zukunft des Rock ’n’ Roll.

Ganz genau! Diese Springsteen-Fotodokumentation ist von Barbara Pyle, die ein Dreivierteljahr mit der Band auf eigene Kosten unterwegs war, weil sie gespürt hat, dass da etwas ganz Großes passiert. Oder Jim Marshall (zufälliger Namensvetter des Gitarren-Amp Marshall), der als Übervater der Musikfotografie gilt, ob es nun Jazz oder Rock’n’Roll war.

R|A|P ist gerade dabei, ein Jim-Marshall-Buch aufzulegen, das die Anfangszeiten der Jazzfotografie auf den Newport Festivals von 1963 bis 1969 erfasst. Grandiose Fotos, alles Jim Marshall. „Jazz Festival“ wird das Buch heißen. Bill Clinton hat das Vorwort dafür geschrieben. Amerikanische Präsidenten können auch Musikliebhaber sein. Nicht alle, aber einige. Obama zum Beispiel oder eben auch Clinton.

Clinton hat ja selber Saxofon gespielt…

Stimmt, deshalb haben ihn die Jazzer auch so fasziniert. Und das Titelfoto zeigt, wie Miles Davis Steve McQueen etwas zuflüstert, der auch Jazzliebhaber war. Und so geht die Linie weiter zu Barry Feinstein, der wiederum mit McQueen befreundet war und auch Rock’n’Roll fotografiert hat. Von ihm stammt zum Beispiel das Bob Dylan Foto zu „No Direction Home”, das wir ebenfalls in der Sammlung haben.

Weil Barry Feinstein auch ein Freund von Steve McQueen war, hat er ihn bei dessen Hobby, der Rennwagen- und Motorradfahrerei, begleitet und fotografiert. Daraus ist wiederum der R|A|P Titel “Unseen McQueen” entstanden. Ein ganz nahes Portrait einer großen Persönlichkeit und ein Muss für alle Fans.

Gibt es auch schon Jim Marshall bei Ihnen in der Sammlung?

Ja, den gibt es. Zum Beispiel mit einem überformatigen Szene-Foto dieser Straßenkreuzung in San Francisco, Haight-Ashbury, wo Mitte der 60er Jahre mit der Hippie-Bewegung alles anfing und Bill Graham, der spätere Organisator von Woodstock, Jefferson Airplane oder Greatful Dead einfach ‘mal auf der Straße hat spielen lassen.

Wie einige andere der großen Rock’n’Roll-Fotografen ist Jim Marshall leider auch schon nicht mehr unter uns. Aber ich stehe in Kontakt mit seinem Freund und Kollegen Baron Wolman, der das Rolling Stone Magazine mitgegründet hat und einer der Fotografen des Woodstock Festivals war. Es gibt viele Fotobücher über Woodstock, aber Wolman‘s Werk ist deshalb so außergewöhnlich, weil es sich mehr mit dem Publikum und weniger mit den Bands beschäftigt. Die Veröffentlichung war ein großer Wurf von R|A|P.

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Die Vision ist, die Bilder in einem urbaneren Zusammenhang zu zeigen, nicht nur auf Haus Thüle alleine? Eine Galerie zu finden oder selber eine gründen?

Eine Galerie haben wir schon, allerdings nicht so, wie man eine Galerie als lokalen Ort versteht. Entweder müssen die Leute zur Kunst oder die Kunst muss zu den Leuten. Paderborn ist jetzt nicht unbedingt die Stadt, wo sich der Nabel der Welt trifft. Unsere Sammlung hat zwar hier ihre Heimat, aber wir denken schon daran, dass wir eine Art von Pop-up-Galeriekonzept brauchen, das wir nach Köln, Berlin, Amsterdam und andere Kulturmetropolen streuen können.

Das Konzept gibt es schon. Wir wissen nur noch nicht, wann wir mit der Umsetzung beginnen können. Es wird dann temporäre Galerien an verschiedenen Orten geben. Die starten mit Büchern, Kunst, Fotos, mit Preston, mit Marshall, aber auch mit anderen Fotografen. Das Herzstück wird aber Neal Preston bleiben, weil er anerkannter Weise den umfangreichsten Werkkomplex an Rock’n’Roll-Fotografie geschaffen hat.

Der Rock’n‘Roll ist ja auch einer der Ursprünge des Event-Business…

Absolut – unser ganzes Business würde es nicht geben, wenn der Rock’n’Roll mit seinem Tournee-Geschäft nicht wäre. Dass sich das im Laufe der Jahre auf ganz andere Felder übertragen hat und sich Entertainment heute im Fernsehen und sogar im Theater, auf Kreuzfahrtschiffen, in Freizeitparks und in anderen spektakulären Projekten wieder findet, ist richtig und wichtig für unsere Branche. Allerdings hat das Ganze seinen Ursprung im Tournee-Geschäft; speziell die technische Entwicklung unserer Branche, wie man am Beispiel von Vari-Lite sieht. Das alles hat seinen Ursprung im Rock‘n’Roll. Prägende Momente, auf die eine ganze Branche aufgebaut ist.

Wir sagen: Keine Zukunft ohne Herkunft. Du musst schon wissen, wo das Ganze herkommt, damit Du weißt, wo Du hin willst. Es ist schön, wenn man einen Teil dieses Anfangs noch selbst miterlebt hat. Eigentlich kann man sich dieser Faszination gar nicht entziehen.

Wie schon der Recording-Engineer Al Schmitt gesagt hat: „Wenn Du das, was Du tust, gern tust und sogar umsonst machen würdest, was kann es Besseres geben, als damit auch noch Geld zu verdienen?” In dieser Übereinstimmung zwischen Hingabe, Leidenschaft und Professionalität seinen Beruf zu finden oder in ein Geschäft münden zu lassen, ist doch einfach wunderbar!

Vielen Dank für das interessante Gespräch!

 

Interview: Andreas Schäfer

 

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